Ballesterer
DAS EWIGE DUELL

Das Lissaboner Derby zwischen Benfica und Sporting ist auch nach mehr als 100 Jahren ein Drama, das niemanden in der Stadt kalt lässt. Ob im Stadion oder in der Bar. Ein Auszug aus „Lesereise Lissabon“.

 

Ein Sonntag im Dezember. 18 Grad. Kanarienvögel zwitschern eingezwängt in ihren Käfigen, die aus den Fenstern hängen. Und an den Wäscheleinen trocknen Handtücher, Bettwäsche und Unterhosen. Ein paar Touristen schlendern durch die Gassen der Stadtviertel Alfama, Bairro Alto, Baixa Pombalina und Chiado, hin und wieder stolpern sie über das Kopfsteinpflaster. Aber wer tut das nicht in Lissabon? Ansonsten sind die Straßen an diesem sonnigen Tag leer. Wo verstecken sich die Menschen? Wohin sind sie verschwunden? Kurzerhand ausgewandert? Vom Erdboden verschluckt? Wie ein Gespenst treibt sich die Ruhe durch die portugiesische Hauptstadt, unterbrochen nur von den musikalischen Rufen der Scherenschleifer.

 

Adler gegen Löwen

Eine halbe Million Lissaboner sitzt zu Hause vor dem Fernseher, ähnlich wie rund acht Millionen in ganz Portugal und 300 weitere Millionen Zuseher weltweit – von Brasilien über Angola bis Osttimor, überall dort, wo die Portugiesen ihren kolonialen Fußabdruck hinterlassen haben. Etwa 64.000 Bewohner belagern die „Kathedrale“, wie Portugals größte Sportarena im Volksmund heißt, oder schwirren um das Estadio da Luz herum. Und 40 Personen starren gespannt auf einen Flachbildschirm in einer winzigen Spelunke in Alfama, denn an diesem Sonntag findet das mit Abstand wichtigste Spiel des Jahres statt: das Derby. Benfica gegen Sporting, die „Adler“ gegen die „Löwen“. Kurz: derbi eterno, das ewige Duell. Dieses Mal besonders brisant, denn nur zwei Punkte trennen Benfica, den Ligaersten, von Verfolger Sporting auf dem zweiten Platz. Aber hier geht es um mehr als nur um die Tabellenführung. Es geht darum, die Nummer eins in der Hauptstadt zu sein. Es geht um die Ehre. Und am allerwichtigsten: Es geht darum, sich für die kommenden sechs Monate, also bis zum nächsten Stadtderby, die Verspottungsrechte gegenüber dem Lokalrivalen zu sichern.