Spiegel Online
EIN TRAUM, EIN HOTEL

Satellitenfernsehen gibt es nicht, dafür Artefakte aus dem 13. Jahrhundert: Das Hotel Dwarika’s in Kathmandu wirkt auf die Gäste fast wie ein nepalesisches Museum – und hat eine ganz besondere Geschichte.

„Noch etwas Tee?“, fragt Ambica Shrestha. Sie klingelt mit einer bronzenen Handglocke, Sekunden später erscheint eine Kellnerin. „Yes, Madam“, „Please, Madam“, „Welcome, Ambica Didi“, schießt es aus der jungen Frau in Uniform heraus. Nach dem Einschenken verschwindet sie genauso schnell und leise, wie sie gekommen ist.

„Ambica Didi“, große Schwester Ambica, wie sie von ihren Angestellten und Stammgästen wie Richard Gere genannt wird, sitzt im Garten ihres Hotels Dwarika’s in Kathmandu und trinkt Grüntee. Im Hintergrund ertönt Tabla- und Panflötenmusik. Das graue Haar der 85-Jährigen ist perfekt frisiert, der Lidschatten mit dem Farbton ihres grünen Samtsaris abgestimmt, der Goldschmuck an Ohrläppchen, Hals und Fingern glänzt.

Ambica Shrestha ist die erste und bis heute wohl einzige weibliche Unternehmerin, die es in der patriarchalischen Gesellschaft Nepals zu etwas gebracht hat. Und sie unterstützt nun Mädchen und Frauen wie die Kellnerin, die von der Gesellschaft verstoßen werden: Gehörlose, ehemalige Sexsklavinnen, Opfer häuslicher Gewalt, durch Kurse, Mikrokredite und Mitarbeit in ihrem Hotel.

Das Hotel ist nach ihrem verstorbenen Ehemann benannt: „Dwarika war ein Revolutionär seiner Zeit, ein Visionär und natürlich auch ein Geschäftsmann“, sagt sie über ihn. 1952, als 27-Jähriger, so erzählt sie, joggte er seine tägliche Runde durch Nepals Hauptstadt Kathmandu, als er plötzlich stehen blieb. Vor ihm zersägten Tischler den Holzbalken eines Abrisshauses, um ihn in einem Tontopf zu verbrennen: ein jahrhundertealtes Kunstwerk der Newar, einer Ethnie, die als Erste das Kathmandutal besiedelte.

Shrestha schrie: „Seht ihr denn nicht, was ihr da verbrennt?“ Die Arbeiter zuckten mit den Schultern: „Wir frieren und brauchen Feuerholz.“ Entsetzt kaufte er ihnen den Balken ab und brachte das sperrige Fundstück nach Hause. Und sammelte weiter: geschnitzte Säulen und Fenster und Türen aus Salbaumholz, manche Überbleibsel von Tempeln, andere von Familienhäusern, einige von ihnen aus dem 13. Jahrhundert.