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PURE SACHE

Nach dem Gin feiert auch der Rum seine Renaissance. In seiner natürlichen Form wird der Zuckerrohrschnaps auf der Karibikinsel Grenada in der Destillerie River Antoine hergestellt – in Handarbeit mit uralten Maschine seit 1785. Ein Besuch.

 

Der erste Schluck fließt die Kehle hinunter, er brennt dabei wie Feuer, zurück bleibt eine erdige Fruchtnote. River Antoine – oder „Rivers“, wie er auf Grenada heißt, zählt vielleicht nicht zu den Edelspirituosen. Aber dieser Rum lässt erahnen, wie der Zuckerrohrschnaps Seefahrern und Piraten im 18. Jahrhundert geschmeckt haben muss. Jeder Tropfen birgt Nostalgie, schickt die Sinne in die Vergangenheit.

 

Jahr für Jahr wird Rum populärer. Zu Beginn dieser Renaissance, im Jahr 2010, wurde mehr Rum in den USA konsumiert als je zuvor. 2017 überstieg der Absatz in Großbritannien erstmals eine Milliarde Pfund. In den vergangenen zehn Jahren verdreifachte sich dort landesweit die Anzahl der Marken. Auch in Deutschland entstehen seit 2015 immer neue Rumdestillerien. Die guten Sorten werden auch längst nicht mehr mit Cola gemischt, sondern von Gourmets verköstigt, gesammelt und besprochen. Will man aber den Unterschied zwischen industriell hergestelltem Rum und dem Original aus frisch gepresstem Zuckerrohrsaft verstehen, empfiehlt sich eine Reise ins Herz der Rumproduktion, in den Nordosten der Karibikinsel Grenada. An jene Quele, wo rhum agricole auf traditionelle Weise produziert wird – so wie schon vor über 230 Jahren.

 

Die Zeitreise führt nach La Poterie, in eine winzige Ortschaft im Schatten eines mächtigen, von dichtem Urwald gesäumten Vulkankraters. Und tief hinein in meterhohe Zuckerrohrfelder, aus denen die roten Dächer der Rivers-Brennerei ragen.

 

Hier empfängt die Besucher das breite Grinsen von Withfield Lyons: „Willkommen an der Quelle“, sagt der 41-Jährige, der den Großteil seines Lebens hier verbracht hat.

 

Kein Eingangsschild weist darauf hin, was für ein Ort das ist: rostige Geräte, die von musealer Technik zeugen. Raue, meterdicke Steinmauern, von Salz und Wind angefressen, verkrustet von Ruß und den Dämpfen des gärenden Zuckerrohrsaftes. Dazwischen die Mitarbeiter von heute mit ihren bunten Shirts, Kappen und Turnschuhen, die mit Rad, Feuer und Hebelkraft Rum produzieren.